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20 Jahre Mundart-Rap

25. November 2011Von: Tara HillViews: 9048

Basel, isch dyy Räp verbyy?

20 Jahre nach dem ersten Dialekt-Rap steckt die Szene in der Krise.

Es hätte so schön sein können. Keine zehn Jahre nach dem ersten Mundart-Rap schien Schweizer Hip-Hop um die Jahrtausendwende in aller Munde. Eine stattliche Anzahl hiesiger Künstler lief jahrelang auf dem Musiksender Viva in Heavy Rotation, stürmte später sogar die nationalen Charts.

An vorderster Front dabei: die Region Basel, die dank Black Tiger, P-27 und Luana nicht nur Schweizer Rap-Pioniere stellte, sondern mit jungen, ja fast noch jugendlichen Crews wie Brandhärd und TAFS ganz entscheidend mithalf, die bis anhin tief in der Subkultur verwurzelte Szene nachhaltig zu popularisieren.

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«Damals haben wir Rap mit Löffeln gefressen», erinnert sich TAFS-Frontmann Taz: «Mundart-Rap füllte mühelos die Clubs, plötzlich spielten wir an Open Airs vor mehreren zehntausend Leuten, die total abgingen. Alle hatten das Gefühl, dass Hip-Hop das nächste grosse Ding sei, hatten den Traum, richtig gross zu werden.» Heute dagegen, im Herbst 2011, herrscht Katerstimmung. Gerade noch zwei «Rapper» können sich länger in der Hitparade halten: Bligg und Stress. Beide haben ihre «Street Credibility», ihre Glaubwürdigkeit und Szenennähe aber längst verloren. «D Party isch vrby» betitelte der Berner Baze sein letztjähriges Werk mit bittersüsser Ironie.

In Basel, einst Hochburg des Hip-Hops, finden kaum noch regelmässige Rap-Events statt, viele Szene-Exponenten haben sich resigniert zurückgezogen oder im Falle des Basler Muskelpakets Griot gar den Rücktritt verkündet. «Die Szene ist in der harten Realität gelandet. Wer seine Ansprüche nicht massiv zurückschraubt, hört frustriert auf», stellt Taz nüchtern fest.

«Die Rap-Blase ist geplatzt», bringt es Greis auf den Punkt: «Und im derzeitigen Dunst kann man noch nicht genau erkennen, wo und wie es weitergeht.» Der Berner Poet, seit vielen Jahren Wahlbasler, sieht die Verantwortung für das Ende das Rap-Booms bei der Szene selbst: «Rap ist jetzt da, wo er sein soll, wo er sein muss: in der Subkultur.» Dass die Hip-Hop-Szene wieder in den Untergrund gehe, findet Greis gut und richtig. Denn: Zeitweise habe eine unglaubliche «Blasiertheit» geherrscht: «Da äusserten gewisse Rap-Crews Sonderwünsche beim Konzert-Catering, das glaubt heute kein Mensch mehr.» Manche hätten in der ersten Euphorie einen veritablen Realitätsverlust erlitten.

Vom Kick zum Kollaps

In den Augen von Greis tragen auch die neuen Medien, Musiksender, Blogs und Gratiszeitungen eine Mitschuld: Sie hätten junge MCs rücksichtslos gehypt, ja richtiggehend verheizt: «Viele Künstler waren gar nicht ready für diese Art von Öffentlichkeit, bekamen rasch viel zu viel Aufmerksamkeit und brannten extrem schnell aus.» Er selber wolle darob allerdings keinesfalls zum «Gränni» werden: «Wir sitzen jetzt im gleichen Boot wie hochqualifizierte Jazzmusiker.» Auch die müssten halt manchmal einen Bürojob machen oder kellnern gehen, wenn es gerade nicht so läuft. Greis' Fazit: «Fick die grosse Chance! Das ist ein Trugschluss. Eine nachhaltige Karriere aufzubauen, ist viel, viel wertvoller.»

Ähnlich argumentiert auch der Basler Freestyle-Profi Pyro, der 2008 mit «Hoffnigsfungge» einen Achtungserfolg landete. «Es nervt micht, wenn Hip-Hop von den Medien ständig totgeschrieben wird. Nicht Hip-Hop ist tot, sondern der Hype, den die Medien selber angezettelt haben.» Dieser habe bei vielen jungen Rappern zu einer blinden Suche nach Ruhm geführt: «Es ging nur noch darum, so schnell wie möglich bekannt zu werden. Je extremer das Image und die Aussagen, desto schneller stürzten sie die Medien drauf. Die die am lautesten schreien, sind oft diejenigen, die am wenigsten dafür tun, dass Hip-Hop am Leben bleibt.»«Fame», den Respekt der Szene, könne man aber nicht erzwingen, sagt Pyro: «Der kommt durch Leistung und Hartnäckigkeit. Einigen fehlte die gesunde Selbsteinschätzung gegenüber dem eigenen Talent und Können.»

Der Durchbruch erwies sich oft als Trugschluss.

Pyro selbst, das hat er mit Greis und Taz gemein, ist gar nicht unglücklich über das Ende des Rap-Booms. «Jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen. Wer mit Rap einfach berühmt werden und Kohle scheffeln wollte, steigt aus. Wer Rap aus Freude und Leidenschaft macht, bleibt - und das sind hierzulande immer noch genügend Leute.»