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Pressestimmen

Berichte & Kritiken


The Fantasticks

01. Februar 1999Von: Martin EtterViews: 6948

Kleines Kammer-Musical - ganz gross

MUSIKTHEATER / Überzeugend phantasievolle, einfallsreiche und amüsante Inszenierung der «Fantasticks» von Harvey Schmidt und Tom Jones im Theater der Regionen Biel-Solothurn: Grosserfolg für das vorzügliche Leiterteam und das hinreissende Darsteller-Oktett

Die Entwicklung des Musicals hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten auf zwei gegensätzlichen Ebenen vollzogen - auf der Ebene der spektakulären Grossproduktionen à la Andrew Lloyd Webber und auf der Ebene des diskret-intimen Kammer-Musicals, das konsequent auf gigantische Ausstattung und auf den Einsatz von Riesenorchestern und
-chören verzichtet.

Romeo und Julia - heute

Das 1960 nach Motiven aus Edmond Rostands Schauspiel «Les Romantiques» entstandene Kammer-Musical «The Fantasticks» von Harvey Schmidt und Tom Jones gehört eindeutig der zweiten Sorte an. Es berichtet von zwei Vätern, die ihre Kinder - ein Mädchen, ein Jüngling - gerne verheiratet sähen. Und weil sie wissen, dass sich junge Menschen nur widerwillig den elterlichen Ratschlägen zu beugen pflegen, spielen sie Capulet und Montague: Sie geben vor, entsetzlich verfeindet zu sein - und das treibt natürlich Luisa-Julia und Matt-Romeo unwiderstehlich zueinander.
Im zweiten Teil wird dann gezeigt, wie verheerend sich der Alltag auf das junge Paar auswirkt und wie die dadurch ausgelöste Krise aufgefangen werden kann. Das hübsche Thema erhält durch die Autoren eine geistreiche Verpackung mit pointierten Dialogen, überraschenden Wendungen und humorvollen Gags und mit einer Musik, die - ohne je vulgär zu werden, aber auch ohne je zu ohrwurmtauglicher Hitqualität aufzulaufen - dem Ganzen Dramatik und Poesie, Zauber und Spannung, Hintergründigkeit und Atmosphäre verleiht.

Raffinierte Aufführung

In Biel-Solothurn hat das mit der Produktion betraute «Ensemble»-Leiterteam eine blitzblank saubere, temporeiche, exemplarisch präzise und herrlich amüsante Aufführung erarbeitet - eine Aufführung, die pausenlos fasziniert, auf hohem Niveau unterhält und nie in die Niederungen seicht-ordinären Klamauks abdriftet.
Robert Young ist eine brillant getimte, einfallsreiche und mit köstlichen Darstellerleistungen garnierte Regiearbeit gelungen, Franco Trinca (mit dem aus Richard Lepetit, Fred Greder, Zuzanna Uherkovich und Trinca selber gebildeten Mini-Orchester) eine Musikleitung ohne Fehl und Tadel und vor allem ohne das leidige Überdecken der Stimmen durch Klangmassierungen, F. Dion Davis eine vergnüglich-originelle Choreographie, dem Direktor Peter Theiler eine geradezu geniale Raumgestaltung mit leicht verschiebbaren Kulissentürmen, Eva-Maria Pfeifer schliesslich eine Kostümgestaltung voller umwerfender Phantasie.

Tolles «Ensemble»-Ensemble

Das «Ensemble»-Theater der Regionen verfügt über eine nahezu ideale Besetzung der acht «Fantasticks»-Rollen: F. Dion Davis ist mimisch zauberhaft souverän als (bei aller Körperfülle) tänzerisch beweglicher Stummer, Patric Ricklin vokal und schauspielerisch ein elegant-wendiger Erzähler El Gallo, Andrea Treschl eine anmutige, glaubhaft naive und (auch stimmlich) bewegend lyrische Luisa, Konstantin Nazlamov mit seiner Allround-Begabung ein frischer, ehrlicher und sympathischer Matt. Den grotesken Vätern Bellamy und Hucklebee schenken Henrik Reimann und Skelt! komödiantisches Format und mitreissende Spiellust, dem nicht minder grotesken Schauspielerpaar Henry und Mortimer Peter Glauser und Andreas Büchler zwerchfellerschütternde Griffe in die Theater-Trickkiste - vom stets misslingenden Zitieren des einen bis zur zirkusreifen Todeskampf-Nummer des anderen.

Fazit: ein köstliches Mini-Musical - mit Interpretationsverve, Pfiff und Witz zum reizvoll-aparten Theaterspass aufgewertet.

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