Outlander
Kleist goes Hip Hop
Tom Rysers «Outlander» am Theater Basel
Es könnte einem das Herz abdrücken. Nicht der Geschichte wegen - die ist schon bei Kleist ziemlich verworren, und selbst die Kollegen auf der Grossen Bühne sind an dem ritterlichen Schauerdrama der «Familie Schroffenstein» vor knapp drei Jahren mehr als kläglich gescheitert.
Was an der Nachfolgetat erschüttert: Hier schmeisst sich multiethnische Jugendcrew mit zweihundertprozentiger Energie und Spiellust in ein Projekt - und wird von den Profis nur abgefüllt in reine Posen und Schablonen. Das schmerzt, weil die wilde Bande einiges kann und alles gibt. Wofür?
Den Publikums-Oscar für jeden, der von der Geschichte dieser verfeindeten Familienclans mehr versteht als: Ich, Romeo! Du Julia!! Stampf, Wouw!!! Warum muss es denn ein Stück sein, wenn man sich keinen Deut für Figuren interessiert? Und warum ausgerechnet Kleist? Weil man da so schön zeigen kann, dass schon die Spieler nicht verstehen, was sie sprechen müssen. So kann man das Thema Missverständnisse auch angehen.
Die Discokugel kreist, die Sternchen schneien ins All, im adretten Gipsy-Look (Kostüme: Gabriele Kortmann) drehen sich die Spieler wie auf dem Catwalk. Aber eigentlich herrscht ja Krieg. Was soll's? Mit etwas Sound und Drive von Kusturica-Filmen wird auch die Schlacht zum Fest. Wann werden Frauen stark? Wenn sie mackerig tun. Wie hangelt man sich an Kleist hoch? Indem man sich der Vertikalästhetik von Gerüstkletterei und Bungee Jumping verschreibt. Wir torkeln durchs Kaufhaus der aufgeklebten Effekte. Die Choreographie von Bea Nichele Wiggli hat Kraft und Dynamik, aber sie käme glänzend ohn all das Kleist-Gewürge aus. Tom Ryser (Idee und Regie) ist der clevere Arrangeur der Oberflächenreize. In satten Fünfviertelstunden lässt er einen Theaterclip abschnurren, aus dem man problemlos ein Dutzend Werbespots sampeln könnte: für Nescafé, freche Klamotten, Fitnessstudios (Slogan: «Schwitzen & stampfen mit Kleist») - für alles eben, was so unglaublich Power gibt.
Das sozialpädagogische Label «Gendertainment», das für diese Produktion steht, hat sich als sehr förderungstauglich erwiesen. Alle sind sie an Deck: von Pro Helvetia über die Kulturprozentler bis zu den Mobilnetzanbietern. Wer möchte nicht dabeisein, wenn eine Art «East Side Story» fürs Hip Hop-Zeitalter aus der Taufe gehoben wird? Dass dies nicht gelingt, mag eine Enttäuschung sein. Dass damit das multiethnische Trauma des immer noch nicht ausgestandenen Balkan-Konflikts verschaukelt wird, ist ein Ärgernis.