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Outlander

31. März 2000Von: Joerg JermannViews: 7903

Zurück zu Urgefühl und Kraft

THEATER BASEL / «Outlander» feierte eine umjubelte Premiere im Foyer Grosse Bühne. Die multikulturelle Truppe «Gendertainment» legt sich mächtig ins Zeug. Grundlage ist Kleists «Familie Schroffenstein».

BASEL. «Gendertainment» als Name ist ein Wortspiel, auch die jetzige Produktion im Grossen Haus des Theaters Basel kann es nicht lassen, das Spektakel nennt sich «Outlander», was zum Beispiel den Freelander und den Highlander suggerieren kann und die Sehnsucht nach Ausbruch und Freiheit - oder schlicht auch so etwas fast abschätzig Klingendes wie den «Ausländer». Und im Untertitel kommt die Surprise, das «Fremdgehen mit Kleist». Damit sind einige Stichworte dieser sprühenden Aufführung gesetzt.

Kleist, oh Heinrich,
prächtige Matte
Da sind einige junge Leute, meist Ausländer der zweiten Generation, die kommen vom Rap her, von Musikstilen, die sich zunehmend vermischen, sie nehmen artistische Elemente von Cîrqu'enflex auf und verbinden sich homogen damit. Das Theater Basel leistet praktische Schützenhilfe und einige Organisationen im Hintergrund finanzieren das Projekt.
Der ganzen Produktion zugrunde liegt Heinrich von Kleists alter Dramen-Schinken über die Familie Schroffenstein: eine Stammesfehde, eine Tragik um die Eskalation von Gewalt, um die Blindheit von Raserei und die Versuche, mit Liebe und Liebespaaren das Verhängnis aufzuhalten. Dies in einer vertrackten und schwer geformten Verssprache. Auf dieser Kleistschen Matte zünden die Musiker und Tänzer hemmungslos eigenwillig ein gut 70 Minuten dauerndes Feuerwerk aus wilder Bewegung, extatischen Lauten und ausladender Körpergestik.

Wutgeheul, Kriegstanz,
stampfende Rhythmen
Da wird eine Chance genutzt: Die Darsteller kommen tatsächlich zur Sprache, sie verleugnen ihre chinesische, arabische, kurdische, französische, serbokroatische oder italienische Herkunft nicht, lassen sie einfliessen in das Klassikermass, können Inhalte weitergeben, obwohl sie in ihre für die Zuschauer unverstandene Sprache zurückkehren.
Insgesamt gebärdet sich «Outlander» wie ein lustvoller Stern in alle Richtungen. Obwohl im eigentlichen schauspielerische Teil auch etwas amateurhaftes nicht zu verbergen ist. Es ist eine Art Neuentdeckung von archaischen Urzuständen. Die Freude an Bewegung und an heftigem Rhythmus dominiert alle anderen Inhalte.
Kleistsche Szenen sind wie Stichwortlieferanten zu einem Reigen hingebungsvoller Exploits der Truppe. Man wird erinnert an ursprüngliche Volkstanz-Rituale, an märchenhaft heldische Kämpfer in grossartigen Posen, an engagierte, wilde Frauen mit Freude an tierisch-sinnhaftem, raubkatzenhaftem und erotischem Kampf mit diesen Männern und gegen sie.

Ein Schuss Zirkus
und Bühneartistik
Links und rechts der grossen, die unten ins Foyer gesetzt ist, ziehen sich Baugerüste, eigentliche Turngestänge hoch mit mehreren Etagen, selbst unter der Bühne kann man durchkriechen. Da jagen sich die Figuren hinauf, sie hangeln und räckeln sich von ober her, provozieren die Gegenseite mit rauschhaften Reizen. Die Hinterwand der Bühne ist ein weisses Tuch mit der Aufschrift IN und OUT, das Polare ist auch mit den schwarzroten Kostümen unterstrichen. Vor dieser Wand schlingern und kämpfen immer wieder an Seilen hängende Figuren, die so dem Zuschauer eine spektakuläre Aufsicht auf einen anderen Spielort gewähren. Wild zuckt der Blitz und es kracht und donnert da auch aus den Lautsprechern und den Mikrophonen, als wie bei Kleist es uns die Rede reichlich zeigt. Die sprachlichen Nachteile und die teilweise mangelnde Verständlichkeit der Darsteller spielen da keine Rolle mehr.
Die multikulturellen Aspekte, die gezeigt werden, die übergreifende Freude an der Durchdringung von Tanz, Artistik, Schauspiel und opernartigem Gestus und Pathos sind beispielhaft. «Outlander» wird und soll und kann viele junge Leute ins Theater bringen und einiges von dessen Urfaszination vermitteln.
Ganz in Bann ziehen Szenen der Anziehung und Abwehr zwischen den einzelnen Menschenpaaren und den politischen Kontrahenten. Gekonnte Textverfremdungen und einzelne ironische Anklänge zur Sprache und zu sich selbst machen den Auftritt der Figuren äusserst sympathisch, auch wenn sie sich noch so martialisch gebärden. Es agieren speziell eindrücklich Skelt!, Ziska Schläpfer, Tarek Abu Hageb, Marcel Bachmann und Mookie, Serdar Weitzmann und Rula Badeen.

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