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04. November 1999Von: Nick JoyceViews: 7516

Schweizer Hip Hop: Hier ist Selbsthilfe angesagt

1999 meldet sich die Basler Rap-Gruppe P-27 mit ihrem dritten Album «Dr einzig Wäg» zurück. Und macht sich gleichzeitig Gedanken über den Stand der einheimischen Hip-Hop-Szene.

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1992 veröffentlichten P-27 den allerersten Mundart-Rap «Murder by Dialect» (Anm. des Webmasters: feat. Black Tiger) und fanden zu ihrer eigenen Überraschung damit breite Beachtung in den Medien. Fast zeitgleich feierten die Stuttgarter Fantastischen Vier mit dem Song «Die da?» ihren Einzug in die Hitparaden; damals schien es, als würde der schweizerdeutsche Rap einen ahnlichen Quantensprung erleben.

Dem war aber nicht so: Erfolgreich wurden vor allem Gruppen wie Merfen Orange, die den Sprechgesang nur gerade als Stilelement einsetzten. «Auch in Deutschland hats seine Zeit gebraucht» meint Tron, MC bei P-27, «bis der Rap sich abgesehen von den Fantastischen Vier etabliert hat. Es braucht in der Schweiz einfach noch ein bisschen mehr Zeit.»

Dass die hiesige Rap-Szene nicht so weit ist wie die deutsche, hat mit Problemen zu tun, die man jenseits der Landesgrenze längst gelöst hat. Ohne eine taugliche Infrastruktur muss jede einheimische Hip-Hop-Formation viele Fehler selbst machen. Erfolgsrezepte gibt es keine. Das war bei P-27 nicht anders. Das Debütalbum «Overdose Funk» taufte die Band 1992 im Nobelklub «Only One» am Claraplatz, was ihrem strassennahen Image deutlich widersprach.

Das zweite Werk «Jetzt funkt's aa» erschien 1994 beim Multi EMI, verkaufte sich aber nicht wesentlich besser als «Overdose Funk»: Der Weltfirma gelang es nicht, die hohe Medienpräsenz von P-27 in Verkäufe umzusetzen. «‹Jetzt funkt's aa› war für Schweizer Hip-Hop-Verhältnisse eigentlich eine Experimentalplatte», entgegnet Rapper Skelt!. «Damit konnten viele Hip-Hop-Leute nichts anfangen. Eigentlich erstaunlich, wie gut es sich doch verkauft hat, weil das Album jo doch recht unkonventionell war.»

Zurück zu den Wurzeln

Nach der Tournee zu «Jetzt funkt's aa» legten P-27 eine lange Atempause ein. Zwei Jahre tüftelten sie an ihrem dritten Werk «Dr einzig Wäg» herum, einer kernigen Produktion, die P-27 zu ihren Hip-Hop-Wurzeln zurückführt: Die Konzepte und Stilschwankungen des Vorgängers sind verschwunden: «Die letzte Platte haben wir mit einer Band eingespielt», erklärt Skelt!, «aber heute unterlegen wir die Instrumente wieder mit programmierten Beats. Das hält die Musik mehr zusammen.»

P-27s Rückzug ins private Studio ist bezeichnend für die ganze Szene, die nicht mehr auf Aussenstehende angewiesen ist, um ihre Musik aufzuzeichnen. Es fehlt den Gruppen aber nach wie vor an Auftrittsmöglichkeiten. Wegen des schlechten Images des Genres organisieren Veranstalter lieber Techno-Parties als Hip-Hop-Events, bei denen sie eventuell zusätzliche Türsteher und Rausschmeisser anheuern müssten.

«Wir wollen keine Klischees erfüllen»

«Wir sind in den letzten Jahren kaum an Hip-Hop-Anlässen aufgetreten», meint Skelt!, «sondern an Orten, wos ein gemischtes Publikum gab. Wir wollten auch nie eine Hip-Hop-Gruppe sein, die irgendwelche Klischees erfüllen muss, um ihre Glaubwürdigkeit zu erhalten. Sondern eine, die verschiedene Stile einfliessen lässt, da wir alle einen verschiedenen musikalischen Background haben.»

Unter solch schwierigen Bedingungen ist Selbsthilfe angesagt, und laut P-27 komme die Szene erst jetzt von eigenbrötlerischen Denkmustern ab: Skelt!: «Heute will jeder, dass seine Musik ein möglichst grosses Publikum erreicht. Die Grenzen sind Stadt- und Schweiz-intern so weit aufgelöst, dass diverse Hip-Hop-Künstler aus den verschiedenen Städten miteinander zusammenarbeiten. Der Grabenkampf zwischen den Städten ist abgeflacht.»

Mittlerweile sei der Mundart-Rap aber schon so weit vernetzt, dass einige schweizerdeutsche Gruppen sogar den Sprung ins Ausland schaffen könnten, meint Tron. «Das Potential ist auf jeden Fall da, und ich glaube nicht, dass die Schweizer Gruppen darauf angewiesen sind, mit deutschen zusammenzuarbeiten, um über die Landesgrenzen hinaus zu kommen. Tatsächlich gibts eine Sprachbarriere; vielleicht wird unser Dialekt in Deutschland noch belächelt. Ich glaube aber schon, dass Rapper mit schweizerdeutscher Musik dort kleinere Erfolge feiern könnten.»

Sens Unik haben schon in Frankreich vorgemacht, wie das klappen kann: Eine Tatsache, die der schweizerdeutschen Rap-Szene Hoffnung gibt.