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Berichte & Kritiken


Charivari

10. Februar 2003Views: 737

«Charivari» @ Fasnacht.ch

Charivari 2003: Odysseus überstrahlt alles

Eine leichte Aufgabe haben sich die Verantwortlichen des Charivari dieses Jahr wahrlich nicht gestellt: Die Odyssee auf Fasnachtsebene herunterzubrechen, also aus einem alles andere als einfachen klassischen Stoff eine leichtgängige Fasnachtskomödie zu machen. Dies mag nicht in allen Belangen ganz gelungen zu sein. So ist der «echte» Odysseus den Göttern tatsächlich hilflos ausgeliefert, während man sich beim Otti S. Heuss manchmal fragt, warum er sich nicht einfach nach Hause begibt oder an die nächste Polizeiwache wendet, um seinem Martyrium ein Ende zu setzen. Aber dann wäre das Stück nach wenigen Minuten vorbei – und das wäre äusserst schade.

Denn die kleinen Unebenheiten in der geschichtlichen Umsetzung werden mehr als wettgemacht durch die überzeugende schauspielerische Darbietung Daniel Busers, der zu Beginn den unsympathischen Juristen im Baudepartement genau so perfekt gibt, wie später den zerrissenen Macho und zum Schluss den geläuterten Menschen. Und das Ganze keineswegs im schwermütigen Stil antiker Dramen, sondern mit dem nötigen Augenzwinkern, welche die Inszenierung locker-leicht erscheinen lässt; dies zweifellos nicht zuletzt ein Verdienst der Regisseurin Bettina Dieterle.

Otti S. Heuss begibt sich also gezwungenermassen auf seine Odyssee und schafft es nicht, an die Fasnacht zu kommen. Dabei begegnen ihm diverse Gestalten, und nicht nur ihm, sondern vor allem dem Publikum, welches sich an hervorragensten Darbietungen erfreuen kann. Wohl zu erwarten war dies von Trudi Roth in der Rolle der Altersheim-Insassin Söpheli – und sie erfüllt die Erwartungen aufs Vortrefflichste; schade das man nicht auch ihr im zweiten Teil eine weitere Rolle anvertraut hat. Dies hat man Kurt Walter, der erst den Mitinsassen Fritz und später den Chef des Otti S. Heuss gibt; er rechtfertigt dieses Vertrauen in jeder Hinsicht. Ebenfalls eine Doppelrolle spielt Rosetta Lopardo, auch sie eine Entdeckung des diesjährigen Charivaris.

Schon von der letztjährigen Ausgabe her kennt man Hugo Buser, der die Rolle des Poseidon genau so göttlich spielt wie Nubya diejenige der Athene. Und der Basler Rapper Skelt! nimmt sogar drei Rollen auf sich; am überzeugendsten ist ihm wahrscheinlich diejenige des heimkehrenden Matrosen gelungen. Dass er in der Videoeinspielung aus dem «Red Rose» unglücklich wirkt, ist weniger ihm zuzuschreiben, als der wohl nicht ganz geglückten Szene – in der unter anderem Peinlichkeiten wie das Schwulenpäärchen, bestehend aus einem beleibten Altjournalisten und einem Altmeister des Kleinbasels, vorkommen.

Die notwendigen Umbauten im Stück werden nicht nur kaschiert mit fasnächtlichen Elementen, diese bilden eine zweite, genau so hervorragende Ebene. Gerade als der Dialog zwischen Poseidon und Athene etwas langfädig zu werden droht, verzaubert Stefanie Bossard das Publikum mit traumhaft romantisch gepfiffenen «D Veegel». Den perfekten Kontrapart dazu bietet Edith Habraken mit der selbst komponierten Trommelnummer «Odyssee». Dazu brillieren der CCB mit dem «Uncle Sam» und schränzen die Schränz-Gritte mit dem zum Thema passenden Potpurri aus «Weisse Rosen aus Athen», «Ein Schiff wird kommen» und «Griechischer Wein». Dazu kam noch die Nummer «Hammer-Inferno» der Chriesibuebe, welche allerdings auch schon vor Jahren von einer anderen Formation Ivan Kyms gebracht worden war, und die nicht so ganz zum übrigen Stück zu passen schien. Die gleiche Kritik ist bei der Schlussnummer angebracht, bei der Nubya und Skelt! in heimatlichem Dialekt beginnen. Warum dann aber auf englisch weitergefahren werden muss, wirkt als Stilbruch und erschliesst sich dem Betrachter nicht.

Die kritischen Punkte beschränken sich aber auf Details; das Charivari 2003 präsentiert sich auf höchstem Niveau und kommt durch die vielen entsprechenden Zwischennummern fasnächtlicher daher als im vergangenen Jahr. Dazu gehört auch der BSG-Schnitzelbangg «Die Gsalzene», der anfänglich etwas mit (unverschuldeten) Tonproblemen zu kämpfen hat, dann aber vor allem mit seinem SVP-Vers zur Melodie von «Kriminaltango» und mit einem frivolen Abschlussvers brilliert.

Alles in allem ein Vorfasnachtsanlass, der zu Recht praktisch ausverkauft ist. Wie aus den für gewöhnlich gut unterrichteten Quellen zu vernehmen ist, lohnt es sich für Kurzentschlossene aber meistens, an der Abendkasse vorbeizuschauen. Da auch Basel von der Grippe nicht verschont wird, werden immer wieder Tickets zurückgegeben, und einige Restplätze hat es auch noch. Wer keinen davon erwischt – der hat wirklich etwas verpasst.

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